Bauwerke

Pilgerkirche Neukirchen beim Heiligen Blut

Die Pilgerkirche Neukirchen beim Heiligen Blut

Die Lokalität und ihre Lage

Einen idealen Ort für das Treffen von Pilgern beider Seiten des Böhmerwalds stellt seit Jahrhunderten die Pilgerkirche mit der wundersamen Statue der Jungfrau Maria in der Grenz-Marktortschaft Neukirchen b. hl. Blut dar. Dazu vorherbestimmt ist sie durch ihre geographische Lage nicht weit vom niedrigsten Punkt des Königswald, wo seit Urzeiten der bayrisch-böhmische Handelsweg entlangführte. Neukirchen b. hl. Blut befindet sich in unmittelbarer Nähe des südlichen Zweigs des heiligen Jakobswegs, der an den ostbayrischen Jakobsweg, der nach Regensburg führt, anbindet. Es liegt im Chamer Tal zwischen den Kämmen des Oberpfälzer und des Bayrischen Waldes auf der bayrischen Seite und den Kämmen des Böhmischen Waldes und des Böhmerwalds auf der tschechischen Seite, beide voneinander getrennt durch den Neumarker Pass. In unmittelbarer Nähme der Gemeinde erstreckt sich das Panorama des Bergrückens Hohenbogen zwischen den Gipfeln Burgstall (976 m über dem Meeresspiegel) und Ahornriegel (1050 m über dem Meeresspiegel).

Ziel von Pilgern aus Böhmen, Bayern und der Oberpfalz

Der Name der Gemeinde (Neukirchen) hängt mit dem Bau der Nikolauskirche in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zusammen, als der untere bebaute Teil (Walching) die Bezeichnung Neukirchen erhielt, was auch erstmalig 1301 urkundlich belegt ist. Ab Mitte des 14. Jahrhunderts wuchs die Bedeutung des Ortes als Befestigungstelle an der böhmisch-deutschen Grenze. Damit hängt die Erteilung der Marktrechte durch den Herzog Albrecht im Jahr 1377 und der Bau von Verteidigungselementen zusammen. Um das Jahr 1370 herum wurde der bis heute erhaltene Marktturm erbaut, die Kirche erhielt die Form einer sog. Kirchenburg und nach dem Jahr 1377 wurde ins Areal auch eine Burg – das Pflegeschloss eingereiht, Sitz der kurfürstlichen Verwaltung.

Die unruhigen Verhältnisse an der böhmisch-bayrischen Grenze standen an der Wiege der Neukirchener Wallfahrtstradition. Nördlich von der Siedlung stand eine kleine Kapelle, wohin eine Bäuerin eine Marienstatue aus der Kirche des nicht weit entfernten Loučim (Lautschim) in der Region Domažlice brachte, um sie vor den Hussiten zu verbergen. Um das Jahr 1420 herum (wahrscheinlich 1422, als die hussitischen Truppen Neukirchen geplündert hatten), versuchte hier der Hussit Otibor Krčma die Statue mit einem Säbel entzwei zu schlagen, aus dem Kopf der Statue begann jedoch Blut zu fließen. Dieses wundersame Ereignis und die anschließenden Wunder (Miraculen) markieren den Beginn der Wallfahrtstradition, die erstmals im Jahr 1452 nachgewiesen ist. Die wachsende Berühmtheit der Wunder wirkenden Statue führte zur Gründung einer kleinen Pilgerkirche, nachgewiesen im Jahr 1525, um die herum sich ein Friedhof erstreckte. In den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts wurde an die Kirche ein niedrigerer Turm angebaut. Während des 16. Jahrhunderts kam es zu einem bedeutenden Anstieg der Pilgerprozessionen, die aus dem deutschen Inland kamen (Rötz, Waldmünchen, Krailing, Prackenbach, Deggendorf), aber auch aus Böhmen. Ungefähr 1550 wurde das Städtchen in Neukirchen beym hl. Blueth umbenannt.

Barockpilgerort

Die neue Ära des Pilgerns im Barock beginnt in Verbindung mit den katholischen Reformen, die in Bayern durch den bayrischen Herzog Maximilian I. repräsentiert wurden. Das Potential des Pilgerortes an der Grenze zu den protestantischen (ketzerischen) Böhmen und der calvinistisch-lutherischen Oberpfalz war unmöglich zu übersehen. Außerdem wurde nach dem Zusammensturz des Kirchturms der Pfarrkirche, der Nikolaskirche, im Jahr 1614 weder der Kirchturm noch die Kirche in der Gemeinde erneuert und die Rolle der Pfarrkirche übernahm die bestehende Pilgerkirche. Kurfürst Maximilian I. trug die Kosten für einen großzügigen Umbau und die Verzierung der Kirche unter Aufsicht von Münchner Hofbaumeistern und Künstlern. Den Pilgerscharen aus drei Ländern öffnete sich nach der Weihe des Hauptaltars im Jahr 1613 eine heilige Stätte doppelter Größe.

Ab Mitte des 17. Jahrhunderts halfen Franziskaner aus dem Konvent im nicht weit entfernten Cham sich um den stärker werdenden Pilgerverkehr zu kümmern. Sie erhielten im Jahr 1658 die Erlaubnis zum Bau eines Klosters direkt in Neukirchen und ein Jahr später wurde mit dem Bau begonnen. An der Rückseite der Pilgerkirche wurde eine kleine Klosterkirche gebaut, die nicht mit der heiligen Pilgerstätte konkurrieren durfte. Der Kustos P. Theodor Neumayr hatte jedoch größere Ambitionen, und zwar eine an die Pilgerkirche angebaute Konventskirche mit gemeinsamen Hauptaltar. Die vorbereitenden Abrissarbeiten an der Seite des Hauptwallfahrtsaltars erweckte bedeutenden Unwillen bei den Ortsansässigen und Proteste des hiesigen Pfarrers. Allerdings gelang das Werk dank der finanziellen Zuwendung des Grafen Siegmund Friedrich Götze und dank der Unterstützung des Bischofs und Kardinals Franz Wilhelm von Wartenberg und der Kardinal konnte so im Jahr 1661 die neugebaute Klosterkirche feierlich einweihen. Es entstand hier eine einzigartige Doppelkirche mit gemeinsamem doppeltem Hauptaltar, symbolisch durch ein einziges wundersames Bild (Gnadenbild) verbunden.

Die Franziskaner von Neukirchen, zu denen hinsichtlich der Pilger aus Böhmen auch tschechische Brüder gehörten, bemühten sich um eine weitere Propagierung des verwalteten Pilgerortes. Der Franziskaner-Autor P. Fortunat Hueber sprach Neukirchen in der berühmten Schrift Zeitiger Granat-Apfel (1671) an, die den barocken deutsch-tschechischen Pilgerorten gewidmet war. Hueber entfaltet hier ein symbolisches Bild – die heilige Mutter Gottes aus Neukirchen sendet den Völkern auf beiden Grenzseiten Regen göttlicher Segnung. Zu den tschechische Lokalitäten, von denen sich immer eine festliche Prozession nach Neukirchen auf den Weg machte, gehörten Dešenice, Janovice nad Úhlavou, Strážov, Kašperské Hory, Sušice und Klatovy. Meistens handelte es sich um offizielle Prozessionen, an deren Organisation sich Pfarreien und örtliche Gemeindeverwaltungen beteiligten.

Der immer weiter steigende Andrang an Pilgern nach 1690 ermöglichte die Realisierung weiterer baulicher Anpassungen auf dem Wallfahrtsareal, bei denen die Kirche ihre heutige Form erhielt. Die einzige Ausnahme war ein hoher schmaler Turm, der in den 90er Jahren des 17. Jahrhunderts gebaut wurde. Seine mutigen Proportionen waren offensichtlich der Grund dafür, dass der Turm in Folge eines Sturmes im Jahr 1732 umfiel. Augenblicklich wurde ein neuer Turm gebaut, der bis heute erhalten ist. Im Jahr 1718 wurde das Gewölbe der Kirche angehoben und so auch die Dachkonstruktion, ihre definitive Gestalt erhielt die Kirche in den Jahren 1719–1720. Während der Bauarbeiten wurde die wundersame Statue in der Klosterkirche aufbewahrt. An diese Bauarbeiten schloss sich der Bau eines neuen Doppelaltars für beide Kirchen von Franz Mozart in den Jahren von 1725–1730 an.

Schon zwei Jahrzehnte später wurde er durch einen neuen prunkvollen Altar in italienischem Stil ersetzt. Die Autoren waren der Hoftischler Johann Joseph Oberst, der Hofmaler und Schnitzer Johann Ferdinand Ledergeber und der Goldschmied Franz Thaddäus Lang. Das war im Zusammenhang mit dem 300. Jubiläum des wundersamen Ereignisses. Diesbezüglich verliefen auf dem Pilgerareal grundlegende Renovierungsarbeiten. 1751 wurden auf der Verbindung vom Pilgerareal mit dem Städtchen (Kirchweg) drei Kapellen mit Heiligenstatuen gebaut. Zu den Jubiläumsfeierlichkeiten im Jahr 1752, als sich die Kirche um circa 70 000 Pilger aus Bayern und Böhmen kümmerte, wurde der gegenwärtige doppelte Hauptaltar aus einer Goldschmiede in Augsburg eingeweiht. Das Jahr 1752 stellt den Höhepunkt des barocken Pilgerverkehrs in Neukirchen dar. Trotz einer allmählichen Abschwächung ab Mitte des 18. Jahrhunderts dauert die Pilgertradition zur Neukirchener Madonna aber bis heute an. Der barocke Glanz der Wallfahrten und die reiche Verzierung der hiesigen Kirche gehören allerdings schon längst der Vergangenheit an. Der berühmte Neukirchener Schatz, der wertvolle Gegenstände liturgischen Bedarfs, Schmuck, Silberfiguren und Ornamente umfasste, wurde im Rahmen der Säkularisierung im Jahr 1800 von der bayrischen Regierung fortgeschafft und eingemünzt.

Der Neukirchener Franziskanerkonvent gehörte in der bayrischen Provinz zu den bedeutendsten. In den Jahren 1708–1721 wurde hier im Rahmen von Reparaturen des Konvents ein Hörsaal eingerichtet und die Bibliothek, die heute circa 8000 Bände aus dem 16.–20. Jahrhundert enthält, erweitert. In den Jahren 1723–1744 wurde hier Philosophie studiert. Wie erhaltene Quellen nachweisen, war auch der Musikverkehr auf einem sehr guten Niveau. In der Zeit der Säkularisierung (1802), als die Kloster abgeschafft wurden, überlebte dieser Konvent als einziges Franziskanerkloster in Bayern, damit die Ordenspriester und -brüder hier ihren Lebensabend verbringen konnten.

Barocker Alltag in der Umgebung des Objektes

Der hohe Turm der Wallfahrtskirche Mariä Geburt in Neukirchen b. hl. Blut war von Beginn des 17. Jahrhunderts bei weitem der am wenigsten zu übersehende Orientierungspunkt für Pilger aus Bayern und aus Böhmen. Gemeinsam mit dem Bau des Franziskanerklosters und der Klosterkirche der heiligen Katharina wurde Neukirchen b. hl. Blut Stütze des geistlichen Lebens an der bayrisch-böhmischen Grenze. Das alltägliche Leben zeigt das Wallfahrtsmusum, ein modernes Spezialmuseum von überregionaler Bedeutung, das sich in einem ehemaligen Schloss am Stadtplatz befindet. Neben landwirtschaftlichen und Forsttätigkeiten florierte in Neukirchen b. hl. Blut und in der Umgebung das Handwerk, das auf die Herstellung von Devotionalien und religiösen Gegenständen für die ankommenden Pilger ausgerichtet war. Auch die Herstellung von kleinen und großen Pilgerkerzen (mit beachtlichen Parametern, Gewicht auch über 100 kg), die man direkt in der Wallfahrtskirche erblicken konnte, hatte machte Kunde. Es wurden auch zahlreiche Dankesgegenstände, wie Tafeln mit religiösen Aufschriften, Kreuze, Opfertiere, die aus verschiedenen Materialien hergestellt waren (Holz, Eisen, Wachs), Schmuck und Rosenkränze hergestellt. Die sog. Neukirchener Schule – Hinterglasmalereien – ist mit vielen Originalbildern belegt. Mit dem Phänomen der Wallfahrtsprozessionen hängt auch die Entwicklung der Pilgergasthäuser und Schenken zusammen. Die tiefe Religiösität des Volkes in der Zeit des Barock und der darauffolgenden Zeitabschnitte beweisen die Artefakte, die in der hiesigen Landschaft platziert wurden, wie z.B. Totenbretter, Flurkreuze und Kapellen. Totenbretter erinnerten an die Verstorbenen und wurden an Stellen aufgestellt, wo sie sich schnell zersetzten. Die Menschen glaubten, dass sobald das Brett verwest ist, sich auch die Seele des Verstorbenen auflösen kann.

Touristische Nutzung

Die erwähnten sakralen Bauten werden in Neukirchen b. hl. Blut durch die St. Anna Kapelle an der Stelle ergänzt, wo sich der Legende nach dem schwer kranken tschechischen Mädchen Barbora bei der Wallfahrt im Jahr 1610 eine Heilquelle offenbarte, die ihr die Gesundheit zurückgab. Im Nordflügel des Franziskanerklosters wurde in Übereinstimmung mit der langjährigen Pilgertradition ein „grenzübergreifendes Wallfahrts- und Begegnungszentrum“ eingerichtet, das von Pilgergruppen, jungen Familien und der Jugend bei Pilgerreisen und Wochenendaufenthalten genutzt wird. Die Heilkräuter und -pflanzen, über die schon in der Bibel geschrieben wird, zeigt der schön gepflegte Klostergarten.

An die Zeit, als es die durch den Eisernen Vorhang geschlossene Grenze gab, erinnern die zwei NATO-Türme (unter der verdeckten Bezeichnung Sektor F), wo sich Technik zum Abhören des feindlichen Gebietes Tschechien befand. Es hatten dort militärische Einheiten der französischen (Kommandostab des Sektors F), amerikanischen und westdeutschen Armee, der Bundeswehr, ihren Sitz. Die Einrichtung befindet sich nun in privater Hand, mit dem Ziel hier ein Besucherzentrum aufzubauen, das an die Zeit der feindschaftlichen Aufteilung Europas erinnert. Bisher wurden an einen der Türme Außentreppen angebaut, die auf eine Aussichtsplattform führen, mit phantastischer Aussicht auf Bayern, einschließlich der Bayrischen Alpen und nach Tschechien.

Die Region Hohenbogen profiliert sich durch ein Sport- und Freizeitzentrum mit vielen Sommer- und Winteraktivitäten. An Sommersportmöglichkeiten kann man zwischen Sommerrodelbahn, Skate- und Funpark, Gras-Kart und weiteren auswählen. Im Winter stehen Abfahrtspisten oder auch gut gepflegte Langlaufstrecken zur Verfügung. In der näheren Umgebung des Ortes gibt es in Lampach ein Schloss mit Märchenwesen und Geistern zu besuchen, nicht weit von Furth im Wald das Schloss Voithenberg oder die Burgruine Lichteneck unter dem Schlossberg oder Runding nicht weit von der gleichnamigen Gemeinde. Interessant ist ebenfalls die Steinbrücke von Arrach. Auch das Städtchen Bad Kötzing mit vielen Kuranwendungen und Wellness-Aktivitäten lockt zu einem Besuch. In diesem Gebiet befinden sich auch einige Museen – das Zündholzmuseum in Grafenwiesen, das Bayerwald-Handwerksmuseum und das Mineralienmuseum in Arrach, das Besucherbergwerk und Stollen in der Nähe von Buchet und Himmelreich, Denkmäler der Zeit des Silberabbaus und anderer Mineralien. Außerdem werden im Stollen Fürstenzeche allergische Erkrankungen und Erkrankungen der Atemwege behandelt.

Das Gebiet ist durchzogen von Wander- und Radwegen. Von den bedeutendsten endet hier die Langstreckentrasse „Ostbayerischer Jakobsweg (Eschlkam–Donauwörth)“, oder die Trasse „Furth–Hohenbogen“, einzelne Gipfel des Hohenbogen verbindet der „Baierweg“, auf den Gipfel des Ahornriegel zum Berghaus Hohenbogen mit nicht weit entfernter Bergkapelle führt eine Seilbahn. Durch das Gebiet Hohenbogen führt die Radstrecke „Rund um den Hohenbogen“, die an die Radwege „Arnschwanger Hohenbogen Runde“ und „Grenzlandtour“ anbinden.