Kapelle der heiligen Schutzengel (umgangssprachlich Andělíček – Engelchen) bei Sušice (Schüttenhofen)
Die Lokalität und ihre Lage
Die Kapelle der hl. Schutzengel in Sušice steht in engem Kontakt mit dem grenzübergreifenden Gunthersteig (Vintířova stezka), der ab dem unweit liegenden Ort Dobrá Voda (Gutwasser) bei Hartmanice (Hartmanitz) markiert ist. Sie ist die Schüttenhofer Dominante auf dem Gipfel des Berges Stráž (Postberg, 552 m), der 85 m in nordöstlicher Richtung über Sušice am rechten Ufer des Flusses Otava (Wottawa) emporragt, von wo eine schöne Aussicht auf die Stadt ist. Die Kapelle, die dem Schutzengel geweiht ist, wurde nach dem Muster der loretanischen Kapellen gebaut. Es handelt sich um die bedeutendste Kapelle dieser Weihung in Böhmen.
Das Schüttenhofener Engelchen (Andělíček)
An die hochgelegene Stelle über Sušice knüpfen sich mehrere Legenden über eine wundertätige Rettung. Die bekannteste (gemalt auf dem Bild des Hauptaltars der hiesigen Zentralkapelle) erzählt von einem kleinen Jungen, der auf dem Berg Stráž Erdbeeren sammelte. Dabei trat er auf eine Schlange und die wickelte sich um seinen Fuß. Das Kind erblickte in seiner Angst einen Engel, der sich zu ihm mit einem Lächeln niederbeugte und die Schlange fiel in dem Moment auf den Boden und verschwand. Die zweite Sage erzählt von der Rettung eines ungerecht verurteilten Soldaten vor der Todesstrafe. Der Wahrheit am nächsten ist der Schutz der Stadt vor der Pestepidemie. In Sušice wütete die Pest in den Jahren 1679–1680 und dank der Fürsprache des Schutzengels ist die Pestepidemie endlich gewichen.
Die Danksagung an den Herrn Gott für die Rettung vor der Pest wird als der Hauptgrund in dem Antrag bei dem Prager Konsistorium auf die Genehmigung des Baus einer Kapelle auf dem Berg Stráž aufgeführt. Im September 1681 sendeten ihn zwei Bürgerinnen von Sušice – Alžběta Meřková geborene Rosacinová aus Karlšperk (Karlspergk) und Polyxena Weissenregnerová aus Uračov, die die Kapelle auf den eigenen Grundstücken und auf eigene Kosten errichten wollten. Der im Jahre 1682 begonnene Bau überschritt jedoch ihre finanziellen Möglichkeiten, und deshalb nahm die Stadt ihre Vollendung bei der Assistenz des Kustos der hiesigen Kapuziner P. Ladislav Perlenec aus Bílina (Bilin), OFMCap. und unter Beisteuerung der Angehörigen der Sušicer Pfarrei auf.
Die Einweihung der neu gebauten Kapelle am 3. August 1683 war für die Stadt eine große barocke Feier. Der Prager Weihbischof Jan Ignác Dlouhoveský weihte sie unter der Assistenz des Dekans des Metropolitankapitels (und des ehemaligen Schüttenhofener Dekans) P. Šebestián Zbraslavský von Svátov, des Nepomuker Dekans Jan Václav Sperat und der zahlreichen hiesigen Geistlichkeit ein. Es durften auch nicht der Schüttenhofer Rat, das städtische Gemeinwesen und auch nicht die Gläubigen aus der weiten Umgebung fehlen. Die erste Messe zelebrierte P. Dlouhoveský für den Kaiser Leopold I. und für den Erfolg im Kampf gegen die Türken, die gerade Wien belagerten. Die Fürbitten vom Schüttenhofer Engelchen wurden nicht erhöht und am 12. September 1683 wurde die Belagerung der Hauptstadt der Monarchie beendet.
Die Nachrüstung der neuen Kapelle wurde auch weiter fortgesetzt. Bereits ein Jahr später (1684) kam Dlouhoveský wieder nach Sušice, um den Altar der Jungfrau Maria in der Kapelle einzuweihen. Die barocke Kapelle, die wenigstens seit dem Jahr 1713 eine Glocke und einen Glöckner hatte, hatte kleinere Maße als heute. Zu ihrer durchgreifenden Erweiterung nach dem Muster der loretanischen Kirchen, dank der das Engelchen zu einer barocken Wallfahrtsdominante der Stadt wurde, kam es 1735. Es geschah aufgrund einer Bewilligung aus dem Jahr 1728, wo außer der Erweiterung auch über die Einrichtung zweier Seitenaltäre und des Kirchenchors gesprochen wurde. 1735 wurde in einem Abstand von fünf Schritten zur der Kapelle eine Umfassungsmauer mit quadratischem Grundriss errichtet, die in jeder Ecke mit einer sechsseitigen Kapelle abgeschlossen wird. Diese Kapellen bekamen die Weihung der Jungfrau Maria von Mariazell, des hl. Johannes von Nepomuk (Jan Nepomucký), des hl. Florian und der hl. Maria Magdalena. Die Umfassungsmauer wurde überdacht und innen an jeder Seite mit fünf für den Schutz der Pilger bestimmten Arkadengängen eingesäumt. In der Mitte der westlichen Seite wurde ein Türmchen für das Aufhängen der Glocken errichtet. An den anderen drei Seiten wurden drei Eingänge mit Treppen geschaffen.
Im Jahr 1761 wurden die Arkadengänge ausgebessert. Mit dieser Reparatur hängt wahrscheinlich die Datierung der Tür an der Nepomuker Kapelle (1762) zusammen. Die Reparatur betraf auch das Orgelpositiv, das hier anscheinend schon seit der Wende der 20er und 30er Jahre des 18. Jahrhunderts stand. 1768 wurde auch die Einweihung aller vier Eckkapellen belegt. Es ist nicht sicher, ob sich um eine definitive Abschließung des langwierigen Bauablaufs (seit 1728) oder um die Wiedereinweihung nach Teilreparaturen handelte. In den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts stand das Engelchen in der ständigen Gunst der Pilger, aus Sušice kamen regelmäßige Prozessionen hier an. Auch wenn Bemühungen um die Einrichtung einer Einsiedelei schließlich nicht realisiert wurden (1763), existierte seit dem Jahr 1771 an der Kapelle eine Schutzengel-Bruderschaft, dank der das Interesse an dem Wallfahrtsort noch mehr wuchs.
Der Höhepunkt des barocken Pilgerbetriebs waren die Feiern zum hundertjährigen Jubiläum der Kapellengründung im Jahr 1783. Die Feierlichkeiten mit Prozessionen, Schießen aus Mörsern und Feuerwerk fanden eine ganze Woche lang statt. Die Kosten dafür zählten eine nicht unbedeutende Summe von 248 Gulden, was den damals der Aufklärung zugetanen Stadtmagistrat empörte. Sie stellten scheinbar eine der letzten monumental konzipierten barocken Feiern in der Stadt dar.
Schon im Jahr 1791 musste die Kapelle auf behördliche Verfügung geschlossen werden und der liturgische Betrieb in diesem Objekt wurde verboten. Die Proteste der Schüttenhofener Geistlichen und der Stadteinwohner kamen dagegen nicht an und die Bilder der hiesigen Altäre wurden in die Pfarrkirche heruntergetragen. 1792 wurde das Objekt versteigert und für die lächerliche Summe von 50 Gulden kaufte es der Schüttenhofener Dekan Prokop Harrer, der Organisator der Feierlichkeiten im Jahr 1783, und nachfolgend überwies er sie in die Habschaft der Gemeinde. Erst 1799 wurde auf das Drängen des Magistrats, der Gemeinde und auch des damaligen Dekans P. Prokop Podlešňovic von dem Landesgubernium die nochmalige Eröffnung des Objekts zu religiösen Zwecken bewilligt. Es passierte am 1. Mai und das Bild des Schutzengels wurde feierlich aus der Stadt in die Kapelle hinaufgetragen. Es entstand so die alljährliche Tradition, bei der Hauptwallfahrt das Engelbild aus der Dekanatskirche heraus hinauf auf die Pilgerstätte zu tragen.
Während des 19. Jahrhunderts stieg die Popularität der Wallfahrt Anfang September, wo Hunderte von Pilgern nach Sušice kamen. Die Ankömmlinge versammelten sich an der Pfarrkirche des hl. Wenzel und von hier aus machten sie sich im Zug das Lied „Glorreicher Stadtbeschützer“ (Přeslavný ochránče města) singend zu der Kapelle auf. An der Spitze der Prozession wurde das barocke Bild des Schutzengels getragen. Die Prozession endete mit einer tschechisch-deutschen Predigt bei der Kapelle und mit einem Gottesdienst.
Die Teilreparaturen des Komplexes verliefen in den Jahren 1848–1852, im Jahr 1873 wurde auch der Kirchenchor erweitert, in den die einmanualige barocke Orgel aus der Kapuzinerkirche des hl. Felix aus dem Jahr 1726 (heute im Smetana-Saal des Schüttenhofener Gymnasiums) hinübergetragen wurde. Zum 200-jährigen Jubiläum des Engelchens wurden grundsätzliche Änderungen realisiert, die vorübergehend das barocke Aussehen der Kapelle zugunsten des aktuell modernen neoromanischen Stils verwischten. Die barocke Disposition des Objekts konnte verborgen werden. Die feierliche Einweihung der Kapelle ereignete sich vom 1. bis zum 7. September 1883 unter Beteiligung des Bischofs ThDr. Josef Jan Hais aus Hradec Králové (Königgrätz). Das nicht authentische neoromanische Aussehen wurde aber auf die lange Sicht nicht angenommen und schon in den Jahren 1935–1936 wurde es im Rahmen einer Gesamtreparatur des Objekts beseitigt. Die mittlere Kapelle wurde damals abgerissen und erweitert, an den äußeren Grundmauern des Baus wurde eine Steinterrasse mit Aussichtsmöglichkeit errichtet und dem Objekt wurde sein barockes Aussehen zurückgegeben. Der hiesige Kirchenchor wurde mit einer neuen Orgel des Schüttenhofener Bauers Matěj Josef Wunsch ausgestattet.
Die traditionellen September-Wallfahrten zum Engelchen hörten auch nicht nach dem Jahr 1948 auf. Erst nach dem Jahr 1989 war es möglich, die bisher letzte Gesamtreparatur des Verputzes und auch die Überdachung des Objekts durchzuführen. Sie erfolgte in den Jahren 1995-1996.
Der barocke Alltag in der Umgebung des Objekts
Wie es in der Barockzeit typisch war, eine bedeutende Rolle beim Bau der Pilgerkapelle spielte der hiesige Kapuzinerkonvent, aber auch die hiesige Pfarrgemeinde und die Stadtverwaltung beteiligten sich. Das Objekt wurde weiterhin formal durch die hiesige Pfarrgemeinde verwaltet. Das Engelchen genoss die Aufmerksamkeit der Pilger aus der weiten Umgebung, es fanden hier Predigten in der tschechischen und auch deutschen Sprache statt. Obgleich die Zentralkapelle im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts um weitere vier Seitenkapellen erweitert wurde, die mit Arkadengängen verbundenen waren und die Pilger schützten, wurde das Pilgergelände nicht um weitere Gebäude mit Einrichtungen für die Pilger (Gaststätten, Unterkunft usw.), vergrößert. Das Engelchen bekam kein eigenes Pfarrhaus und die Initiative hier eine Unterkunft für einen diese Kapelle verwaltenden Eremiten wurde nicht realisiert. Der Grund war anscheinend die unmittelbare Nähe der Stadt Sušice und der hiesigen Kircheninstitutionen. Dem alltäglichen Pilgerbetrieb entzogen sich mehrere großzügig konzipierte barocke Feierlichkeiten, die mit der Einweihung der Kapelle (1683) und mit den Festlichkeiten des 100-jährigen Jubiläums dieses Ereignisses verbundene (1783) waren und wahrscheinlich das letzte barocke Fest in Sušice darstellten.
Aus des Barockzeit wird noch an die Existenz des Unglückssteins auf dem Marktplatz erinnert, wo sich 1672 ein Ritter umgebracht hat, der vorher in seiner Trunkenheit ein Bild in der Kapelle im Schloss Volšovy durchschoss. Seit der Zeit wird erzählt, dass, falls jemand über diesen Stein geht, diesem Menschen ein Unglück geschehen wird (zumindest bekommt er einen Schnupfen oder Kopfschmerzen). An die Judengemeinde im Ort erinnert der alte jüdische Friedhof aus dem Jahr 1626.
Touristische Nutzung heute
Zu der Kapelle der Schutzengel wurde 2010 ein Kreuzweg errichtet, nördlich von der Kapelle finden die Besucher einen Parkplatz. Die Stadt Sušice bietet viele andere Sehenswürdigkeiten. Eine von ihnen ist das städtische Spital aus dem 16. Jahrhundert, das bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts funktionierte und als Sozialeinrichtung für alte, verarmte und verlassene Bürger diente. Die Spital- und Friedhofskirche Maria Himmelfahrt mit einer gotischen Kapelle, die Pfarrkirche des hl. Wenzel, ursprünglich ein gotischer Tempel, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts im Barockstil umgebaut und Ende des 19. Jahrhunderts regotisiert wurde. Die Stadt Sušice zieren interessante Bürgerhäuser, die im Kern gotisch sind, folglich jedoch im Renaissancestil umgebaut wurden – das Rozacínovský-Haus und das Voprchovský-Haus, wo sich heutzutage das Böhmerwaldmuseum befindet. Beachtenswert ist auch die Stadtbefestigung, die zu Beginn des 14. Jahrhunderts entstand und deren Reste noch um den ganzen Kern der Stadt erhalten blieben, oder der Brunnen auf dem Platz Svobody vom Ende des 18. Jahrhunderts.
Eine schöne Aussicht auf die Umgebung der Stadt bietet der Steinaussichtsturm auf dem Berg Svatobor (Swatobor, 845 m) aus dem Jahr 1934, der 31 m hoch ist. Neben dem Aussichtsturm wurde eine Hütte im Alpenstil gebaut. In der Umgebung von Sušice breiten sich Naturparks Kochánov, Budětice (Budietitz) und Kašperská Vrchovina aus, auf den eine schöne Aussicht vom Aussichtsturm auf dem Berg Sedlo ist. In der nahen Umgebung gibt es Schlösser – das Barockschloss Volšovy, das durch den Umbau der ursprünglichen Renaissancefestung (erwähnt im Zusammenhang mit dem Stein des Unglücks) entstand war. Interessant ist auch das kürzlich rekonstruierte Schloss Hrádek (Hradek) mit einem Museum und einer Schlosskapelle, in der Umgebung des Schlosses findet man einen Barockpark. Im Bereich der Stadt Sušice erstreckt sich die gotische Burg Kašperk (Karlsberg), die die höchstgelegene Burg in Tschechien ist. Auf die Burg Kašperk hat man eine schöne Aussicht von der Ruine der Bastei Pustý Hrádek (Ödschlössel), was früher die vorgelagerte Festung der Burg Kašperk war. Die Geschichte der Region belegen auch die Festungen Tedražice und Dražovice (Draschowitz). Die Tradition der Böhmerwald-Glaswerke können die Besucher der Region im Glasmuseum in Annín (Annathal) besichtigen.